lentkleidet.
Kaul nutzt die außergewöh-nichen
stimmlichen Fähigkeiten
der Sängerin, die ein weites Spektrum von vor allem geräuschhaften
Lauten umfasst. Diese Laute fungieren als eine Art Meta-sprache,
die den Gang der Handlung ausdrückt. Um sie zu verstehen, gibt
es einen von Torsten Schütte gespielten Erzähler, der die
Laute übersetzt und kommentiert. Die beiden Sprachebenen sind
in sensible, manchmal filmmusikartig wirkende, oft durch Tonbandeinspielungen
geräuschhaft gefärbte Klangschichten aus Flöte und
Schlagzeug eingebettet. Deren suggestive Spannung reißt über
die ganzen fünfundvierzig Minuten, die das Stück dauert,
nicht ab.
Die „Menschenfresserin“ von Matthias Kaul und der Theaterwerkstatt
Pilkentafel will kein verharmlosendes Kindertheater sein, im Gegenteil. Der Stoff
des Stücks ist provokativ. Neben Brutalität in der Familie greift er
viele andere aktuelle Themen auf, unter ihnen die individuelle und kollektive
Angst, die durch die Pläne der Menschen-fresserin in der Bevölkerung
entsteht. Angesichts der Kriege im Kosovo und in Afghanistan sowie der gegenwärtigen
Kriegsvorbereitungen der USA ist die Aktualität des Themas Angst und ihrer
Konsequenzen auf das persönliche und gesellschaftliche Verhalten unmittelbar
evident. In den kontroversen Diskussionen nach der Uraufführung, mit geschockten
und begeisterten Eltern, spiegelten sich diese Ängste ganz konkret vor Ort.
Die „Menschenfresserin“ ist daher ein aktuelles und wichtiges Stück,
das zu bewegen vermag, zudem ein Musik-Theater im modernen Sinn des Begriffs.
Alle Elemente sind selbständig, greifen zugleich jedoch subtil ineinander.
Die Darsteller (Ute Wassermann, Gesang, Torsten Schütte, Schauspieler, Astrid
Schmeling, Flöte, Matthias Kaul, Schlag-zeug) entfalteten dabei ein phantasievolles
Sinnenspiel für Augen und Ohren gleicher-maßen. Hanno Ehrler, MusikTexte
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