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Giftgrün ist das Kleid, knallrot die ballförmige Haube und marionettenhaft die Gestik der Frau, die zwischen den Stellwänden des Bühnenbilds erscheint. Sie gibt unartikulierte Laute von sich, eine befremdlich anmutende Mischung aus Knarren und Stöhnen. Ein Schau-spieler beobachtet die seltsame Frau. Er scheint ihre Sprache zu verstehen, lauscht, übersetzt, erschrickt. Denn es ist die angsteinflößende „Menschen-fresserin“, und sie spricht gerade von ihrem entsetzlichen Plan, ein Kind zu verspeisen.
Dies ist der erste Auftritt der Protago-nistin in Matthias Kauls Musiktheater-stück „Die Menschenfresserin“, das der Schlagzeuger und Komponist vom Ensemble L’ART POUR L’ART für Kinder und Erwachsene geschrieben hat. Zur Saisoneröffnung der Staatsoper Hanno-ver, zugleich die 150-Jahrfeier des Hauses, wurde das Stück uraufgeführt. Es basiert auf Valerie Dayres gleich-namigem Kinderbuch, dessen Geschich-te schnell erzählt ist. Eine böse Frau begibt sich auf die Suche nach einem geeigneten Opfer, aber keines genügt ihrer Gier. Schließlich, vor Hunger ganz erschöpft, kommt sie nach Hause und isst ihr eigenes Kind auf. Der Stoff ist ungewöhnlich für ein Kinderbuch. Normalerweise verkörpert nicht die Mutter, sondern die Stiefmutter das Böse. Valerie Dayre konzentriert sich hier auf selten angesprochene Bereiche von Angst und Aggression zwischen Eltern und Kindern.
Zusammen mit der Regisseurin Elisabeth Bohde von der Flensburger Theaterwerkstatt Pilkentafel entwarf Kaul ein Stück, bei dem Text, Szene, Licht
und Musik gleichwertig nebeneinander stehen. Die einzelnen Stationen erschei-nen parabelhaft in ruhigen Bildern und mit langsamen Bewegungen. Der Text der Menschenfresserin, verkörpert durch die Stimmvirtuosin Ute Wassermann, wird dabei seiner unmittelbaren Semantik

lentkleidet. Kaul nutzt die außergewöh-nichen stimmlichen Fähigkeiten der Sängerin, die ein weites Spektrum von vor allem geräuschhaften Lauten umfasst. Diese Laute fungieren als eine Art Meta-sprache, die den Gang der Handlung ausdrückt. Um sie zu verstehen, gibt es einen von Torsten Schütte gespielten Erzähler, der die Laute übersetzt und kommentiert. Die beiden Sprachebenen sind in sensible, manchmal filmmusikartig wirkende, oft durch Tonbandeinspielungen geräuschhaft gefärbte Klangschichten aus Flöte und Schlagzeug eingebettet. Deren suggestive Spannung reißt über die ganzen fünfundvierzig Minuten, die das Stück dauert, nicht ab.
Die „Menschenfresserin“ von Matthias Kaul und der Theaterwerkstatt Pilkentafel will kein verharmlosendes Kindertheater sein, im Gegenteil. Der Stoff des Stücks ist provokativ. Neben Brutalität in der Familie greift er viele andere aktuelle Themen auf, unter ihnen die individuelle und kollektive Angst, die durch die Pläne der Menschen-fresserin in der Bevölkerung entsteht. Angesichts der Kriege im Kosovo und in Afghanistan sowie der gegenwärtigen Kriegsvorbereitungen der USA ist die Aktualität des Themas Angst und ihrer Konsequenzen auf das persönliche und gesellschaftliche Verhalten unmittelbar evident. In den kontroversen Diskussionen nach der Uraufführung, mit geschockten und begeisterten Eltern, spiegelten sich diese Ängste ganz konkret vor Ort.
Die „Menschenfresserin“ ist daher ein aktuelles und wichtiges Stück, das zu bewegen vermag, zudem ein Musik-Theater im modernen Sinn des Begriffs. Alle Elemente sind selbständig, greifen zugleich jedoch subtil ineinander. Die Darsteller (Ute Wassermann, Gesang, Torsten Schütte, Schauspieler, Astrid Schmeling, Flöte, Matthias Kaul, Schlag-zeug) entfalteten dabei ein phantasievolles Sinnenspiel für Augen und Ohren gleicher-maßen. Hanno Ehrler, MusikTexte 95

Matthias Kauls Kinder-Musiktheaterstück „Die Menschenfresserin“
Fauchen, Grunzen, Stöhnen
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